Komplexität frisst Marge: Warum organisatorische Missverständnisse die Supply Chain teuer machen

Forecast? Macht der Vertrieb nicht. Liefern? Muss trotzdem jemand.
In vielen Unternehmen spielt sich ein vertrautes Szenario ab: Der Vertrieb entscheidet über die Artikelverfügbarkeit im Markt, will sich aber nicht auf einen Forecast festlegen. Gleichzeitig erwartet das Management hohe Lieferfähigkeit und niedrige Bestände, ohne klar definierte Service-Levels in Form eines Servicegrades vereinbart zu haben. Die Verantwortung dafür wird – unausgesprochen – an die Supply Chain delegiert.
Was folgt, ist keine exakte Planung, sondern improvisiertes Reagieren auf nicht definierte Ziele, sondern auf Emotionen. Und das hat seinen Preis.
Wenn jeder lenkt – aber keiner steuert
Was wie ein internes Abstimmungsproblem klingt, wird in Summe zu einem massiven Kostentreiber. Sicherheitsbestände steigen, Expressversand wird zur Regel, Lagerkapazitäten platzen aus allen Nähten.
Fehlende Forecastverantwortung, unklare Rollenverteilung und operative Silos verursachen laut Branchenerfahrung bis zu 10–15 % Mehrkosten – nicht im System, sondern in der täglichen Praxis. Und diese Komplexitätskosten bleiben meist unsichtbar, weil sie sich auf viele kleine Einzelentscheidungen über das ganze Unternehmen verteilen.
Wenn niemand den Hut aufhat – zahlt am Ende die Supply Chain
Die Erfahrung zeigt: Je diffuser die Verantwortlichkeiten in der Planung und in der Service-Zielsetzung, desto höher die versteckten Kosten. Viele Unternehmen setzen zwar moderne Systeme ein – doch wenn niemand verbindlich für die Prognose verantwortlich ist, bleiben sie unter ihren Möglichkeiten. Besonders dann, wenn Vertrieb, Einkauf und Logistik jeweils eigene Annahmen treffen, ohne gemeinsame Abstimmung. Die Folge? Drei Meinungen, aber kein verlässlicher Forecast.
In der Praxis führt das zu einer scheinbaren Absicherung: lieber ein bisschen mehr bestellen, lieber etwas früher einlagern, lieber noch einen Puffer einbauen.
Was kurzfristig wie Risikomanagement aussieht, ist langfristig ein Kostentreiber mit Ansage – in Form von Überbeständen, unnötigen Umlagerungen, Verfallsrisiken und gebundenem Kapital.
Man muss kein Rechenzentrum betreiben, um zu sehen: Unklare Verantwortung in der Planung ist teuer – und zwar jeden Tag.
Barrieren: Wenn dezentrale Strukturen gegen sich selbst arbeiten
In vielen Organisationen sind Entscheidungs- und Planungsbefugnisse über mehrere Abteilungen und Hierarchien verteilt. Der Vertrieb plant Absatz, ohne Verantwortung für Prognosegüte zu übernehmen. Lager- oder Standortentscheidungen werden lokal getroffen, ohne überregionale Abstimmung.
Das Ergebnis: jede Einheit optimiert für sich – aber niemand für das Ganze.
Dezentrale Organisationen haben Vorteile, wenn sie koordiniert agieren. Fehlt jedoch die verbindliche Steuerung, entstehen:
- Gegensätzliche Zielsetzungen zwischen Vertrieb, Planung und Logistik
- Redundante Lagerhaltung, weil jede Einheit für sich absichert
- Fehlende Transparenz, da Dateninseln entstehen statt integrierter Sicht
Kurz: Ohne integriertes Denken potenziert sich die Komplexität – und damit auch die Kosten.
Lösungsansätze: Verantwortung klären, Planung integrieren, Silos aufbrechen
Die Lösung beginnt nicht mit einem neuen System – sondern mit einer klaren Aussage:
„Wer ist verantwortlich für die Prognose? Wer trägt die Auswirkungen?“
Nur wenn Forecast und Bestandsverantwortung zusammen gedacht und übergreifend gesteuert werden, entsteht ein funktionierendes Planungssystem.
Konkret heißt das:
- Rollenklärung im S&OP-Prozess – wer steuert, wer liefert zu?
- Klare Zielsetzungen in Bezug auf Service und Kosten, welcher Service soll zu welchen Kosten erreicht werden?
- Transparente KPI-Strukturen, die bereichsübergreifende Ziele verankern
- Zentrale Steuerungsmodelle mit lokalem Feedback statt rein dezentraler Selbstorganisation
Organisation muss nicht zentralisiert werden – aber sie muss vernetzt denken und handeln.
Fazit: Wer Klarheit schafft, spart – wer bremst, zahlt
Komplexität in der Supply Chain ist selten technischer, fast immer organisatorischer Natur. Vertriebsseitige Forecastverweigerung, dezentrale Entscheidungsstrukturen, fehlende Zielservicegrade und operative Einzelinteressen erzeugen jährlich Millionen an versteckten Kosten. Wer sich diesen Themen ernsthaft stellt, kann nicht nur Komplexität reduzieren, sondern Effizienz und Resilienz nachhaltig steigern.
Dezentrale Verantwortung braucht zentrale Abstimmung – sonst wird’s teuer.
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